Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

BGBl. 2008 Teil I Nr. 11 S. 441, ausgegeben zu Bonn am 31. März 2008 

Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren 

Vom 26. März 2008


Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:


 

alte Fassung
 

 

Artikel 1
Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909, 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313), wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 1598 folgende Angabe eingefügt:
§ 1598a Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“.

2. In § 194 Abs. 2 werden nach dem Wort „Zukunft“ folgende Wörter eingefügt:
oder auf die Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“.

alte Fassung
§ 194
Gegenstand der Verjährung

(1) Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.

(2) Ansprüche aus einem familienrechtlichen Verhältnis unterliegen der Verjährung nicht, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft oder auf die Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung gerichtet sind.

 

3. Nach § 1598 wird folgender § 1598a eingefügt:

alte Fassung
§ 1598a
Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung

(1) Zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes können
1. der Vater jeweils von Mutter und Kind,
2. die Mutter jeweils von Vater und Kind und
3. das Kind jeweils von beiden Elternteilen
verlangen, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden. Die Probe muss nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft entnommen werden.

(2) Auf Antrag eines Klärungsberechtigten hat das Familiengericht eine nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen.

(3) Das Gericht setzt das Verfahren aus, wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes begründen würde, die auch unter Berücksichtigung der Belange des Klärungsberechtigten für das Kind unzumutbar wäre.

(4) Wer in eine genetische Abstammungsuntersuchung eingewilligt und eine genetische Probe abgegeben hat, kann von dem Klärungsberechtigten, der eine Abstammungsuntersuchung hat durchführen lassen, Einsicht in das Abstammungsgutachten oder Aushändigung einer Abschrift verlangen. Über Streitigkeiten aus dem Anspruch nach Satz 1 entscheidet das Familiengericht.

 

4. § 1600b wird wie folgt geändert:
a) Der bisherige Absatz 6 wird Absatz 5 und wie folgt gefasst:
„(5) Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 gehemmt; § 204 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. Im Übrigen sind die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.“
b) Der bisherige Absatz 5 wird Absatz 6.

alte Fassung
§ 1600b
Anfechtungsfristen

(1) Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.

(1a) Im Fall des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 kann die Vaterschaft binnen eines Jahres gerichtlich angefochten werden. Die Frist beginnt, wenn die anfechtungsberechtigte Behörde von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Voraussetzungen für ihr Anfechtungsrecht vorliegen. Die Anfechtung ist spätestens nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft für ein im Bundesgebiet geborenes Kind ausgeschlossen; ansonsten spätestens fünf Jahre nach der Einreise des Kindes.

(2) Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist. In den Fällen des § 1593 Satz 4 beginnt die Frist nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung, durch die festgestellt wird, dass der neue Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes ist.

(3) Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.

(4) Hat der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Anfechtungsberechtigte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst anfechten. Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. 

(5) 1Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 gehemmt; § 204 Abs. 2 gilt entsprechend. 2Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. 3Im Übrigen sind die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.

(6) Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.

 

5. Nach § 1629 Abs. 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:
(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

alte Fassung
§ 1629
Vertretung des Kindes

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1796 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet, so kann ein Elternteil, solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen. Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.

 

 

 

Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung
vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202,
2006 I S. 431, 2007 I S. 1781), zuletzt geändert durch
Artikel 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 13. März 2008
(BGBl. I S. 313), wird wie folgt geändert:
1. In § 621a Abs. 1 Satz 1 werden nach den Wörtern „in
Verfahren nach“ die Wörter „§ 1598a Abs. 2 und 4
und“ eingefügt.
2. In § 621e Abs. 1 und 2 werden jeweils nach den
Wörtern „in Verfahren nach“ die Wörter „§ 1598a
Abs. 2 und 4 und“ eingefügt.
3. § 640 wird wie folgt geändert:
a) In Absatz 1 werden nach dem Wort „nach“ die
Wörter „§ 1598a Abs. 2 und 4 und“ eingefügt.
b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Kindschaftssachen sind Verfahren, welche
zum Gegenstand haben
1. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Eltern-Kind-Verhältnisses; hierunter
fällt auch die Feststellung der Wirksamkeit
oder Unwirksamkeit einer Anerkennung
der Vaterschaft,
2. die Ersetzung der Einwilligung in eine genetische
Abstammungsuntersuchung und die Anordnung
der Duldung einer Probeentnahme,
3. die Einsicht in ein Abstammungsgutachten
oder die Aushändigung einer Abschrift,
4. die Anfechtung der Vaterschaft oder
5. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
der elterlichen Sorge der einen Partei
für die andere.“
4. In § 641i Abs. 1 wird jeweils das Wort „Vaterschaft“
durch das Wort „Abstammung“ ersetzt.

Artikel 3
Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit in der im Bundesgesetzblatt Teil III,
Gliederungsnummer 315-1, veröffentlichten bereinigten
Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes
vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840), wird wie
folgt geändert:
1. Nach § 49a Abs. 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:
„(2a) Das Familiengericht kann vor einer Entscheidung
über die Ersetzung der Einwilligung in
eine genetische Abstammungsuntersuchung eines
minderjährigen Kindes und die Anordnung der Duldung
einer Probeentnahme (§ 1598a Abs. 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs) das Jugendamt anhören.“
2. Nach § 55c wird folgender § 56 eingefügt:
㤠56
(1) Vor einer Entscheidung über die Ersetzung der
Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung
und die Anordnung der Duldung der Probeentnahme
(§ 1598a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs)
soll das Familiengericht beide Elternteile
und ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat,
persönlich anhören. Ein jüngeres Kind kann das Familiengericht
persönlich anhören.
(2) Entscheidungen des Familiengerichts in Verfahren
nach § 1598a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
werden erst mit der Rechtskraft wirksam.
(3) Gegen Entscheidungen nach § 1598a Abs. 2
des Bürgerlichen Gesetzbuchs steht den in § 1598a
Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs genannten
Personen die Beschwerde zu.
(4) Die Vollstreckung eines durch rechtskräftige
Entscheidung oder gerichtlichen Vergleich titulierten
Anspruchs nach § 1598a des Bürgerlichen Gesetzbuchs
auf Duldung einer nach den anerkannten
Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführten Probeentnahme,
insbesondere die Entnahme einer
Speichel- oder Blutprobe, ist ausgeschlossen, wenn
die Art der Probeentnahme der zu untersuchenden
Person nicht zugemutet werden kann. Über die
Rechtmäßigkeit einer Verweigerung entscheidet das
Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, nach
Anhörung der Parteien durch Beschluss. Bei wiederholter
unberechtigter Verweigerung der Untersuchung
kann auch unmittelbarer Zwang angewendet,
insbesondere die zwangsweise Vorführung zur Untersuchung
angeordnet werden. § 33 bleibt unberührt.“

Artikel 4
Änderung der Kostenordnung

In § 94 Abs. 1 Nr. 7 der Kostenordnung in der im
Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 361-1,
veröffentlichten bereinigten Fassung, die zuletzt durch
Artikel 3 Abs. 5 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007
(BGBl. I S. 3189) geändert worden ist, werden nach den
Wörtern „für Verfahren über“ die Wörter „die Ersetzung
der Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung
einschließlich der Anordnung der Duldung einer
Probeentnahme nach § 1598a Abs. 2 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs, für Verfahren über die Einsicht in
ein Abstammungsgutachten oder die Aushändigung einer
Abschrift nach § 1598a Abs. 4 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs sowie für Verfahren über“ eingefügt.

 

 

Artikel 5
Änderung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche

Dem Artikel 229 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494, 1997 I S. 1061), das zuletzt durch Artikel 2 Abs. 5 des Gesetzes vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) geändert worden ist, wird folgender § 17 angefügt:

㤠17
Übergangsvorschrift zum Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren

Ist eine Klage auf Anfechtung der Vaterschaft wegen Fristablaufs rechtskräftig abgewiesen worden, so ist eine Restitutionsklage nach § 641i der Zivilprozessordnung auch dann nicht statthaft, wenn ein nach § 1598a des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Fassung des Gesetzes zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 441) eingeholtes Abstammungsgutachten die Abstammung widerlegt.“

 

 

Artikel 6
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

 

Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.
Berlin, den 26. März 2008

 

D e r Bu n d e s p r ä s i d e n t
H o r s t Kö h l e r

D i e Bu n d e s k a n z l e r i n
Dr. An g e l a Me r k e l

D i e Bu n d e s m i n i s t e r i n d e r J u s t i z
B r i g i t t e Z y p r i e s

 

 

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